Algorithmen im Versicherungssektor

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Immer öfter verwenden Versicherungsgesellschaften Algorithmen, zum Beispiel für die Policenannahme und die Schadenregulierung. Nichtsdestotrotz ist der Versicherungssektor alles andere als ein Vorreiter, wenn es um die Entwicklung und Verwendung von Algorithmen geht.

Die aktuellen Anwendungen von Algorithmen basieren oft auf relativ einfachen, leicht interpretierbaren (Geschäfts)Regeln. Im Rahmen der Policenannahme werden zum Beispiel eine Reihe von Überprüfungen durchgeführt, die zur Kalkulation eines Endergebnisses verwendet werden. Nach einer Schadensmeldung wird auf Basis von Daten aus unterschiedlichen Quellen eine Risikoanalyse durchgeführt. Auch wenn diese Analyse ausgefeilter ist als früher, ist sie immer noch sehr leicht zu durchschauen.

Die Vorteile von Algorithmen

Für die Entwicklung von Algorithmen, die weniger transparent und nicht so leicht zu erklären sind, wird in zunehmendem Maße maschinelles Lernen eingesetzt. Eine Reihe von Versicherungsgesellschaften haben bereits begonnen, mit Algorithmen zu experimentieren, die auf Basis von Fotos eine vollautomatische Echtzeit-Schadensbewertung durchführen. Das erübrigt die Involvierung menschlicher Arbeitskraft in die Schadenregulierung.

Auch auf einem anderen Gebiet können wir die Vorteile von Algorithmen erkennen: Prämien und Produkte lassen sich auf Basis des Lebensstils, des Verhaltens und/oder der Verwendung bestimmter Produkte personalisieren. Ein einfaches Beispiel wäre eine junge Mutter, die mit dem Auto zwischen zwei kleineren Ortschaften pendelt und eine erheblich niedrigere Versicherungsprämie bezahlt als eine Person Anfang bis Mitte 20, die durch das Zentrum von Amsterdam fährt. Anstatt einer wohnortabhängigen Prämie zahlt der Kunde auf Basis des Gebiets, in dem er normalerweise fährt.

Algoritmes

Auch die Pay-per-Use-Konzepte werden in den nächsten Jahren immer ausgefeilter werden, wobei eine wesentlich genauere Kalkulation der spezifischen Risiken möglich sein wird. Dazu trägt insbesondere die zunehmende Verbreitung des Internets der Dinge bei. Das hat nicht nur Auswirkungen auf Themen wie die Solidarität – werden einige Menschen nicht mehr versicherbar sein? –, es wirft auch die Frage auf, ob Algorithmen womöglich diskriminieren.

Zwar sind Versicherungen ein Low-Interest-Produkt, aber falls die Daten nicht auf ethisch vertretbare Weise verwendet werden, könnte der Einsatz von Algorithmen in die Kritik geraten und sich negativ auf das Verbrauchervertrauen auswirken. Daher muss sichergestellt werden, dass die Verbraucher das Vertrauen in den Versicherungssektor nicht verlieren.

Professionelle Entwicklung von Algorithmen

Eine professionelle Entwicklung von Algorithmen ist unter diesem Aspekt daher eine zwingende Voraussetzung. Bei diesem Thema gibt es offensichtliche Parallelen zur Verbreitung des Internets. In den 1990er-Jahren wollte jedes Unternehmen so schnell wie möglich eine eigene Website haben. Ihre Entwicklung wurde oftmals dem oder der Mitarbeiterin übertragen, die „gut mit Computern umgehen“ konnte. Einige Jahrzehnte später haben sich das Design und die Umsetzung von Online-Strategien deutlich professionalisiert. Einen ähnlichen Prozess sehen wir bei der Entwicklung von Algorithmen.

Viele Organisationen gehen mit großem Elan an die Arbeit und müssen dann auf schmerzhafte Weise lernen, dass die Entwicklung von Algorithmen eine weitere Aufgabe ist, die man nicht einfach Mitarbeitern übertragen kann, die „gut mit Computern umgehen“ können. Dazu bedarf es erfahrener Experten. Der schwierige Teil besteht nämlich darin, eine kontextbezogene und keine rein statistische Datenanalyse durchzuführen, um unsinnige Schlussfolgerungen zu vermeiden. Ein maßgeblicher Teil der Datenanalyse ist daher die enge Kooperation zwischen Anwendungsspezialisten aus der Praxis und Datenwissenschaftlern. Dieser Professionalisierungsprozess ist ein zentraler Baustein der Vertrauensbildung.